„Der Winter naht!“ Wer dachte, dass nur die Nachtwache bei Game of Thrones Grund zum Frösteln hat, sollte einmal im russischen Oimjakon vorbeischauen. Hier liegen die Höchsttemperaturen im Januar bei rund -45 °C. Und doch gehen die Bewohner des kleinen Dorfes ganz normal ihrem Alltag nach. Ihr Motto lautet da eher: „Der Winter ist da – und geht auch so schnell nicht wieder weg.“
In eine warme Decke einmummeln, Tee schlürfen und ein gutes Buch lesen: Viele von uns lieben den Winter wegen seiner Gemütlichkeit. Zudem rückt die Weihnachtszeit, die die dunklen Wintertage in sanfte Abendlichter taucht, immer näher. Wer sich bei „milden“ 5 °C allerdings bereits in die volle Kältemontur wirft und sich selbst gerne als „Frostbeule” betitelt, sollte beim Anblick der folgenden Bilder sicherheitshalber noch eine extra Kuschelkolter überwerfen und die Heizung aufdrehen.
Entfernung zu nächstgelegenen Städten:
Stadt | Fahrstrecke | Fahrtdauer |
Jakutsk | 929 km | ca. 21 h |
Nichts für Dünnhäutige
Rund 680 km nordöstlich der Großstadt Jakutsk, ca. 2.900 km vom Nordpol entfernt, liegt am Fuße des Werchojansker- und Tscherskigebirges das 500-Seelendorf Oimjakon. Wenn das Thermometer hier 0 °C anzeigt, heißt es unter den Anwohnern wieder: Der Sommer ist endlich da!
Grund für die fast 9 Monate andauernden Winter und kühlen Sommer ist die Tallage des Ortes sowie die das umliegende Hochland abschließenden Bergketten. Hierdurch bleiben schwere kalte Luftmassen zurück, während der Zustrom von wärmeren Luftmassen beinahe gänzlich abschirmt wird – was man vor Ort insbesondere im Winter merkt, wo sich die maximale Tagestemperatur auf -41,9 °C einpendelt. Brennende Kälte, taube Nasen, schmerzvolle Atemzüge, statt Spültoiletten unbeheizte Gartenholzbaracken, Eisblöcke statt fließend Wasser und ganztags Temperaturverhältnisse, bei denen Benzin gefriert – wie man hier leben kann, fragen Sie sich?
Frostige Stimmung? I wo!
Im Grunde ganz gut. Die Eiseskälte scheint die Bewohner Oimjakons keinesfalls zu stören, immerhin ist der Mensch ja ein Gewohnheitstier. Mit Rentierstiefeln, dicken Mänteln und Gesichtsmasken gegen den Schnee gewappnet stapfen diese munter durch die gefrorene Landschaft und gehen ihren normalen Alltagsgeschäften nach – ob als Lehrer, Eisangler oder Buchhalter. Die meisten von ihnen arbeiten als Jäger oder Züchter, oder aber in der kleinen Milchfabrik. Diese muss spätestens ab Oktober den Dienst pausieren, da die Kühe ab jetzt keine Milch mehr geben können. Doch auch für das Rind ist bestens gesorgt: Ihre Euter werden über den Winter in Fellsäckchen verpackt. Ab -52 °C haben die Kinder des Dorfes sogar mal kältefrei.
Willkommen bei den Jakuten
Die Bewohner Oimjakons gehören zu den in Russland beheimateten Jakuten, ein Turkvolk, das hier größtenteils in der Autonomen Republik Sacha (alias Jakutien) in Sibirien lebt. Die meisten von ihnen bekennen sich zwar heute zum russisch-orthodoxen Christentum, allerdings werden noch viele schamanische Praktiken durchgeführt, die die Kultur der Gesellschaft so vielfältig machen. Vor allem traditionelle Heiler greifen manchmal noch gerne auf Musiktherapien mit Maultrommeln und Gesängen zur Anrufung von Geistern zurück, um Genesungsprozesse zu beschleunigen.
Der Ortsname „Oimjakon“ bedeutet in der jakutischen Sprache, die von rund 450.000 Menschen weltweit gesprochen wird, übrigens so viel wie „heiße Quelle“ – hier erwartet Reisende somit nicht nur eine reiche Kultur, sondern auch Menschen mit einer ordentlichen Portion Selbstironie.
Urlaub am kältesten Ort der Welt?
Mutige Touristen und Abenteurer nehmen gerne die weite Reise auf sich, um den kältesten, dauerhaft bewohnten Ort der Welt selbst einmal auszukundschaften. Kein Wunder, denn die eisige Landschaft hier ist einfach atemberaubend schön! Ganz einfach ist dieses Unterfangen allerdings nicht: Jakutsk ist bereits als die kälteste Großstadt der Welt bekannt, und von hier sind es noch immer rund 929 Kilometer Fahrt über schwieriges Terrain, bis man Oimjakon überhaupt erreicht. Von daher raten auch wir lieber davon ab, sich einen Mietwagen in Russland zu schnappen und für 21 Stunden eine waghalsige Tour durch Sibirien zu unternehmen.
Wer einen kühlen Kopf zu bewahren weiß und sich der Herausforderung stellen möchte, kann über diverse Reiseanbieter, beispielweise VisitYakutia.com, eine Tour nach Oimjakon buchen. Diese setzen dann auch spezielle Kleinbusse ein, die für die rauen Bedingungen bestens geeignet sind und Sie sicher ans Ziel bringen. Ganz wichtig bei der Reiseplanung: Vor der Flugbuchung nach Jakutsk Visa für westliche Touristen nachrecherchieren und passende Kleidung einplanen!
Werchojansk – kälter geht’s (n)immer
Auf der weltweiten Bibberskala ganz oben ist und bleibt Russland: Auf dem zweiten Platz, gleich hinter Oimjakon und „nur“ 1.000 km nördlich von dieser entfernt, folgt nämlich die ebenfalls in Sacha gelegene Kleinstadt Werchojansk. Bis 1926 galt Werchojansk mit einer Tiefsttemperatur von −67,8 °C noch als der „Kältepol aller bewohnten Gebiete der Erde“. Dann aber trumpfte Oimjakon mit einem angeblich noch tieferen Wert von −71,2 °C auf. Offiziell bestätigt wurde diese Zahl zwar nie, jedoch reichte das Gerücht aus, um Werchojansk vom Eisthron der kältesten Orte der Welt zu stoßen.
Titelbildquelle: © Maarten Takens
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1 Kommentar
Die Fotos sind schön und haben eine gute Qualität!
Aber ich kann damit leider nichts anfangen :)